APARTHEID

Die Vereinten Nationen, der Internationale Gerichtshof, die größten  Menschenrechtsorganisationen der Welt, darunter Amnesty International, Human Rights Watch, palästinensische Organisationen und selbst Israels größte Menschenrechtsorganisation B’Tselem beschuldigen Israel, das Verbrechen der Apartheid zu begehen.

 

Was ist Apartheid?

Viele Menschen denken beim Begriff Apartheid zunächst an Südafrika. Doch der Begriff existiert auch unabhängig von dort. 

Apartheid ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Es wurde in der Internationalen Konvention über die Bekämpfung und Bestrafung des Verbrechens der Apartheid („Anti-Apartheidkonvention“) von 1976 und im Römischen Statut des Internationalen Strafgerichtshofs von 1998 definiert. 

Apartheid hat per Definition drei Elemente:

1. die Absicht, ein System der Vorherrschaft einer rassischen Gruppe über eine andere aufrechtzuerhalten

2. die systematische Unterdrückung einer rassischen Gruppe gegenüber einer anderen

3. eine oder mehrere unmenschliche Handlungen im Sinne der Definition, die auf breiter oder systematischer Basis gemäß dieser Politik ausgeführt werden. 

Zu den genannten Beispielen unmenschlicher Taten gehören die gewaltsame Vertreibung, die Enteignung von Grundbesitz, die Schaffung von getrennten Reservaten und Ghettos und die Verweigerung des Rechts, das eigene Land zu verlassen und dorthin zurückzukehren, sowie des Rechts auf eine Staatsangehörigkeit.

Wieso wird Israel der Apartheid beschuldigt?

Zwischen dem Jordan und dem Mittelmeer leben heute über 14 Millionen Menschen, davon etwa die Hälfte Juden*Jüdinnen und die andere Hälfte Palästinenser*innen. 

Das gesamte Gebiet steht auf unterschiedliche Weise unter der Kontrolle Israels, dessen herrschendes System darauf fußt, die eine Hälfte der Bevölkerung zu Gunsten der anderen Hälfte zu unterdrücken.

Für Juden*Jüdinnen ist das gesamte Gebiet zusammenhängend. Mit Ausnahme des Gazastreifens und der A-Gebiete – also ca. 18% – des Westjordanlands, dürfen sie sich überall frei bewegen und genießen in allen Teilen die gleichen Rechte. Für Palästinenser*innen gilt das nicht. Das Gebiet ist für sie durch den israelischen Staat in verschiedene Zonen aufgeteilt worden. In jeder Zone genießen die dort lebenden Palästinenser*innen verschiedene Rechte, aber in keiner der Zonen haben sie die gleichen Rechte wie Jüdinnen*Juden. Ihre Bewegungsfreiheit zwischen und teilweise innerhalb der Zonen ist außerdem stark durch Israel eingeschränkt. 

 

Die Zonen

Kerngebiet

Ostjerusalem

Westjordanland

Gaza Streifen

Im Exil

Kerngebiet

In Israel selbst (innerhalb der Grenzen von 1967) leben ca. 1,9 Millionen Palästinenser*innen. Sie sind israelische Staatsbürger*innen, haben allerdings weniger Rechte als ihre jüdischen Mitbürger*innen.

Als Grundlage für die rechtliche Diskriminierung dient die offizielle Unterscheidung zwischen verschiedenen Nationalitäten der israelischen Staatsbürger*innen, welche ihnen auf Basis religiöser und ethnischer Zugehörigkeit erteilt wird: jüdisch, arabisch, drusisch und weitere. Das Recht zur nationalen Selbstbestimmung im Staat Israel gilt laut Nationalstaatsgesetz von 2018 ausschließlich für die jüdische Nation. 

Knapp 70% israelischer Kommunen haben zudem das Recht, nicht-jüdischen Personen den Zuzug zu verwehren und dies mit dem sozialen und kulturellen Gefüge der Kommune zu begründen. Durch diverse diskriminierende Gesetze, Politiken, und Praxis, welche unter anderem die Erweiterung palästinensischer Kommunen verhindern, leben palästinensische Staatsbürger*innen Israels auf nur knapp 3% der gesamten Fläche des Landes, obwohl sie ca. ein Fünftel der Gesamtbevölkerung ausmachen.

Palästinensische Staatsbürger*innen Israels dürfen an nationalen Wahlen teilnehmen und sich auch zur Wahl stellen, allerdings wird ihre politische Teilhabe seit jeher systematisch eingeschränkt.

Ostjerusalem

In Ostjerusalem leben etwa 350.000 Palästinenser*innen. Sie sind keine israelischen Staatsbürger*innen und dürfen sich nicht an nationalen Wahlen beteiligen oder sich selbst zur Wahl stellen. Sie haben stattdessen einen Daueraufenthaltsstatus, welcher ihnen allerdings jederzeit aberkannt und nicht an Ehepartner*innen aus dem Westjordanland weitergegeben werden kann. 

Seit der Annexion Ostjerusalems im Jahr 1967 haben die israelischen Regierungen Ziele für das demographische Verhältnis zwischen Juden*Jüdinnen und Palästinenser*innen in ganz Jerusalem festgelegt: es sollen dort maximal 40% Palästinenser*innen leben. 

Die Regierungen haben außerdem in öffentlichen Erklärungen deutlich gemacht, dass die Verweigerung wirtschaftlicher und sozialer Rechte für Palästinenser*innen in Ostjerusalem eine bewusste Politik ist, um sie zum Verlassen der Stadt zu zwingen (s. Amnesty International).

Westjordanland

Im Westjordanland leben etwa 2,7 Millionen Palästinenser*innen und 700.000 Siedler*innen. Die Bevorteilung der jüdischen Israelis und die Unterdrückung der Palästinenser*innen im gleichen Gebiet wird hier besonders deutlich.

Palästinenser*innen werden systematisch Baugenehmigungen verweigert, sowie ihre Häuser und andere Strukturen von israelischen Behörden abgerissen, während im gleichen Gebiet jüdischen Siedler*innen das Bauen erlaubt oder geduldet wird. 

Unter anderem durch diese Praxis werden palästinensische Gebiete im Westjordanland in immer mehr kleine, voneinander getrennte „Inseln“ zerteilt.

Palästinenser*innen wird die Benutzung bestimmter Schnellstraßen im Westjordanland verboten. Sie müssen stattdessen schlechtere Straßen nutzen, auf denen sie regelmäßig gezwungen werden, stundenlang an militärischen Checkpoints zu warten. Das Betreten des israelischen Kernlandes ist ihnen ohne Genehmigung verboten und sie werden unter anderem durch die über 700 km lange Trennmauer davon abgehalten. Siedler*innen können sich hingegen frei zwischen dem Kernland und dem Westjordanland bewegen.

Auch beim Zugang zu Wasser zeigt sich die Diskriminierung deutlich: Während Siedler*innen pro Kopf täglich 487 Liter Wasser für den privaten Verbrauch zur Verfügung haben, stehen Palästinenser*innen durchschnittlich nur 70 Liter zur Verfügung. 

Für die Bewohner*innen des Westjordanlands gelten zwei verschiedene Rechtssysteme, die auf der ethnischen Zugehörigkeit basieren. Für Juden*Jüdinnen gilt das Zivilrecht, Palästinenser*innen hingegen unterliegen dem Militärrecht und werden vor Militärgerichten angeklagt, wobei die Verurteilungsquote bei 99,74 % liegt. Im Kontrast dazu genießen Siedler*innen oft Straffreiheit: Von 2005 bis 2019 wurden 91 % der gemeldeten Fälle von Siedler*innengewalt gegen Palästinenser*innen ohne Anklage abgeschlossen. Je nach Gesetz und Regelung gelten manche Rechte sogar unabhängig von Staatsbürgerschaft rein nach Ethnie: Menschen, die wegen jüdischer Herkunft israelische Staatsbürger*innen werden dürfen, werden in mancher Hinsicht israelischen Staatsbürger*innen gleichgestellt, während palästinensische Staatsbürger*innen Israels wie staatenlose Palästinenser*innen behandelt werden können.

Einige Beispiele:

  • Einige Beispiele:

  • Israelische Staatsbürger*innen müssen innerhalb von 24 Stunden nach ihrer Verhaftung vor Gericht gestellt werden, während Palästinenser*innen ohne richterliche Aufsicht acht Tage lang gehalten werden dürfen. (Amnesty, S. 241)
  • Palästinensische Kinder sind häufig nächtlichen Razzien ausgesetzt und können ab dem Alter von 12 Jahren Verhören ohne Beistand sowie unbefristeter Verwaltungshaft ausgesetzt werden, während das Zivilrecht jüdische Kinder davor schützt. 
  • Siedler*innen können ohne besondere Genehmigung mit bis zu 50 Personen demonstrieren, Palästinenser*innen brauchen schon ab 10 Personen eine Genehmigung von der Armee – die so gut wie nie erteilt wird.

Gaza Streifen

Im Gazastreifen leben etwa 2,2 Millionen Palästinenser*innen in einem der am dichtesten besiedelten Gebiete der Erde. Sie sind größtenteils Nachfahren von Menschen, die 1948 im Zuge der Nakba aus dem heutigen israelischen Kernland vertrieben wurden. 

Zwar zog Israel 2005 seine Bodentruppen aus dem Gebiet ab und veranlasste die Räumung der jüdischen Siedlungen im Zentrum des Gazastreifens. Allerdings befindet sich der Gazastreifen ununterbrochen weiterhin unter israelischer Belagerung und Besatzung und das Leben der Bewohner*innen wird damit kontinuierlich grundlegend vom israelischen Staat beeinflusst und eingeschränkt. Israel ist daher nach wie vor Besatzungsmacht im Gazastreifen und hat damit die Verantwortung für dessen Bewohner*innen.

Wie weit die Kontrolle Israels über das Leben im Gazastreifen reicht, wurde zuletzt sehr deutlich, als Israel im Oktober 2023 entschied, jegliche Einfuhren von Lebensmitteln, Wasser, Strom und Treibstoff dorthin zu unterbinden. Doch auch zuvor war sie in allen Lebensbereichen spürbar:

Bewohner*innen konnten das Gebiet nur mit israelischer Genehmigung verlassen und diese werden nur selten erteilt – selbst in medizinischen Notfällen. Israel macht es den Palästinenser*innen praktisch unmöglich, vom Gazastreifen in die anderen Landesteile oder an andere Orte zu reisen. Der Gazastreifen wird deshalb auch als Freiluftgefängnis beschrieben.

Israel kontrolliert alle Grenzübergänge ins israelische Kernland und stellt über ein Abkommen mit Ägypten sicher, dass auch am Grenzübergang nach Ägypten alle Ein- und Ausfuhren und -reisen mit Israel abgestimmt werden.

    Anfang der 2000er zerstörte Israel den einzigen Flughafen sowie den einzigen Seehafen des Gazastreifens. Israel hat außerdem den Zugang zu 85 % der Gewässer nahe der Küste gesperrt und behält die volle Kontrolle über den Luftraum über dem Gazastreifen. 

    Die desaströsen Auswirkungen der seit 2007 andauernden Blockade auf die lokale Wirtschaft, Arbeitslosigkeit, Wasserqualität und das Gesundheitssystem haben Gaza laut der UN zu einem unbewohnbaren Gebiet gemacht.

    Seit 2008 hat Israel wiederholt Militäroperationen gegen den Gazastreifen durchgeführt und ist gewaltsam auch gegen friedliche Proteste vorgegangen. Insgesamt sind dabei tausende von Zivilist*innen getötet und Zehntausende verletzt worden. Seit dem 07. Oktober 2023 bombardiert Israel das gesamte Gebiet des Gazastreifens und wird international des Genozids an den Palästinenser*innen beschuldigt.

     

      Exil

      Palästinenser*innen im Exil, die oder deren Vorfahren vor 1948 auf dem heutigen israelischen Hoheitsgebiet lebten und während der Nakba von dort vertrieben wurden, verwehrt Israel sowohl die Staatsbürgerschaft, als auch Aufenthaltsrechte in allen zuvor genannten Zonen. Dabei garantieren die internationalen Menschenrechte Flüchtlingen und Exilant*innen das Recht auf Rückkehr. In den Nachbarländern sind etwa 3,3 Millionen palästinensische Flüchtlinge beim UN Hilfswerk für Palästina-Flüchtlinge im Nahen Osten (UNWRA) registriert. Viele von ihnen bleiben staatenlos und leben seit Generationen in überfüllten Flüchtlingslagern unter schlechten Bedingungen.

      Gleichzeitig erlaubt es das israelische Gesetz allen Juden*Jüdinnen weltweit und deren Verwandten, sich jederzeit im israelischen Hoheitsgebiet oder den Siedlungen im Westjordanland niederzulassen und die israelische Staatsbürger*innenschaft anzunehmen.

      Rechte

      Palästinenser*innen werden in den verschiedenen Zonen unterschiedlich stark von Israel in ihren Rechten beschnitten. Die Abstufungen folgen dabei der Reihenfolge: Israel selbst, Ostjerusalem, Westjordanland, Gazastreifen und letztlich das Exil. In Ostjerusalem lebende Palästinenser*innen genießen also mehr Rechte als Menschen in Gaza, aber weniger als Palästinenser*innen, die in Israel selbst leben. Israel unterbindet jegliche Familienzusammenführungen oder auch Umzüge, sofern sie bedeuten würden, dass Palästinenser*innen dadurch in eine Zone kämen, in der sie mehr Rechte hätten als zuvor. Ehepartner*innen aus Ostjerusalem und dem Westjordanland dürfen also beispielsweise nicht zusammen in Ostjerusalem leben oder ihre Kinder dort registrieren.

      Jüdische Israelis

      Palästinenser*innen mit Staatsangehörigkeit

      Ost-Jerusalem

      Westjordanland

      Gaza

      Im Exil